Forum Bildungsqualität in Kitas
Debatte über Betreuungsqualität erreicht nächste Stufe - "Zukunftsforum Kita" geplant
Die tatsächlichen Ausfallzeiten, bedingt durch Krankheit, Urlaub, Fort- oder Weiterbildung in Thüringer Kitas sind hoch. Zu hoch, um einem qualitätsgeleiteten Bildungsanspruch gerecht werden zu können. Das ist das Ergebnis einer Erhebung, die die Arbeitsgemeinschaft der Träger von Kitas in der Stadt Jena, sowieden umliegenden Städte und Landkreisen im November durchgeführt hat. Jeden Tag waren Kitaleiter*innen in Thüringen aufgefordert, die tatsächlichen Fehlzeiten ihrer Mitarbeiter*innen zu notieren. Das Ergebnis zeichnet ein aufrüttelndes Bild. Die teilnehmenden Einrichtungen bestätigten eine schon lange gefühlte Wahrnehmung im Kita-Alltag: im Durchschnitt fielen rund 30 Prozent der Beschäftigten im Erhebungszeitraum aus. Das heißt im Klartext: bei einem ohnehin schon knapp bemessenen Betreuungsschlüssel (Vgl: http://landesrecht.thueringen.de/jportal/?quelle=jlink&query=KTEinrG+TH+%C2%A7+14&psml=bsthueprod.psml&max=true) fehlten im Erhebungszeitraum zusätzlich rund ein Drittel der pädagogischen Fachkräfte in den Kitas aufgrund von Krankheit, Urlaub oder Fortbildung.
Seit Beginn des Jahres verleiht die Thüringer Kampagne "Hier spielt die Musik!" dem landesweiten Protest von Eltern, Fachkräften und Kita-Trägern nach einer besseren Betreuungsqualität Ausdruck. Gefordert werden ein optimierter Personalschlüssel, erhöhte Leitungsanteile auch in kleineren Einrichtungen und die Berücksichtigung realistischer Ausfallzeiten. Im Rahmen der Kampagne traf man sich Anfang Dezember zum ersten Forumsgespräch in der Jenaer UniverSaale-Schule. Ein zentrales Anliegen der Akteure war die bessere finanzielle Ausstattung frühkindlicher Bildung im Freistaat. "Wir investieren in die ersten sechs Jahre kindlicher Bildung das wenigste Geld - dabei ist erwiesen, dass es gerade diese ersten Jahre der Entwicklung eines Kindes sind, die später den Unterschied machen!", mahnt Tim Wagner, Stadtelternsprecher für Kitas in Jena, die anwesenden Diskutanten und Zuhörer. "Wenn wir in der Schule wären, würden wir die Situation mit Unterrichtsausfall bemessen; das wäre wenigstens plakativ. Eine Kita kann jedoch per se nicht "zumachen"; Betreuung kann nicht ausfallen. Wir brauchen daher eine breite Öffentlichkeit für das Thema", so Wagner weiter.
Es sei des Weiteren unvermeidlich, den spürbaren Druck, welchem Kitaträger und Einrichtungsleitungen im Alltag ausgesetzt seien, auch öffentlich sichtbar und spürbar zu machen. "Wir stehen auch als Träger vor einem Dilemma", berichtet Katja Glybowskaja, stellvertretender Vorstand für Familie und Bildung beim AWO Kreisverband Jena-Weimar. "Unser wichtigstes Ziel ist eine bedürfnisorientierte Bildung der uns anvertrauten Kinder. Dabei möchten wir einerseits mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die hierfür notwendigen Bedingungen bieten, andererseits natürlich auch demBedarf der Eltern im Hinblick auf den Umfang von Betreuungszeiten nachkommen. Das steht aufgrund des eng bemessenen Personalschlüssels leider oft im Gegensatz zueinander." Gemeint ist auch ein Aktionstag der Kampagne im September, an dem die teilnehmenden Einrichtungen ihre Öffnungszeiten auf eine tatsächliche, gesetzlich bewilligte Personalausstattung heruntergebrochen hatten. An jenem Tag waren Kitas in Jena, Weimar und Umgebung "nur" neun Stunden anstatt der sonst gängigen 10-12 Stunden geöffnet. Viele Eltern unterstützten die Forderungen der Kampagne. ; bei wenigen stieß die Protestaktion aber auch auf Widerstand.
Dem Problem können man nur per Gesetz beikommen. "Es kann nicht gut gehen, wenn sich Krankschreibungen wegen Überlastung im fliegenden Wechsel ablösen und es zum Alltag wird, dass Einrichtungsleiter permanent die Arbeit in den Gruppen unterstützen müssen," so René Zettlitzer, Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes in Jena.
Für die Thüringer Landesregierung ist an jenem Tag Torsten Wolf (DIE LIINKE) auf dem Forum vertreten. Die Kitabetreuung sei keine Landesaufgabe, weiß dieser und verweist damit auf die Zuständigkeit der Kommunen. Diese wiederum seien für ihre Aufgaben auskömmlich vom Land ausgestattet. Hier widerspricht im Jenas Bürgermeister Frank Schenker, der sich unter die Zuhörer gemischt hat. Von über 300 Mio. €, welche derzeit im städtischen Haushalt für 2018 eingestellt sind, seien bereits über 50 Mio.€ für freie Kita-Träger vorgesehen. (Vgl: https://offenerhaushalt.jena.de/) "Wir als kreisfreie Stadt werden gern noch mehr Personal einstellen, wenn vom Land mehr Geld kommt", so Schenker. "Die generelle Qualitätsdebatte allerdings: die müssen Sie, Herr Wolf, im Landtag anregen".
Die Anträge und Empfehlungen der Diskussionsrunde, so bestätigt Torsten Wolf den Anwesenden, werde er in jedem Fall in die nächste Sitzung des Bildungsausschusses und in die Beratungen mit Bildungsminister Helmut Holter mitnehmen. Außerdem lädt er die Diskutanten zur nächsten Plenarsitzung am 13. Dezember 2017 ein. An diesem Tag sei auch die Verabschiedung des neuen Kita-Gesetzes für Thüringen geplant. Für eine umfängliche Qualitätsdebatte in der Zwischenzeit dürfte es dann bereits zu spät sein. "Aber man könnte im neuen Gesetz ja noch einen Passus einfügen, der eine Überprüfung der tatsächlichen Ausfallzeiten vorsieht", schlägt Katja Glybowskaja vor. So werde das Qualitätsziel zumindest langfristig weiterverfolgt und nicht sofort wieder ad acta gelegt.
Einig sind sich an jenem Abend alle Anwesenden, dass sie in 2018 ein gemeinsames "Zukunftsforum Kitas in Thüringen" ausrichten möchten. Auf diesem soll mit allen Entscheidungsträgern und Interessengruppen eine gemeinsame, langfristige Zielsetzung zur Betreuungsqualität im Freistaat erarbeitet werden.