MBE Aktionstag
Mit einem Praxisbeispiel, das seine Wirkung nicht verfehlte, startete der gestrige bundesweite Aktionstag zur Migrationsberatung in Jena. Wie schwer es sein kann, sich im deutschen Behördendschungel zurechtzufinden, gerade wenn man die Sprache nicht spricht, das zeigten drei Geflüchtete an einem eindrucksvollen Beispiel. Mitgebracht hatten sie ein ihnen zugestelltes Schreiben des Jobcenters mit Zahlungsaufforderung. Dieses Behördendeutsch allein ist schon schwer verständlich. Von der Sprachbarriere einmal abgesehen.
Diesen und ähnlichen Fällen stellt sich der Fachdienst für Migration und Integration in Jena tagtäglich. Mehr als 350 Fälle haben die momentan 15 Mitarbeiter im Jahr 2016 bereits bearbeitet, und das allein in der Erwachsenenberatung. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 waren es gerade einmal 174 Fälle. Dabei ist jeder Fall einzigartig; jeder bedarf einer individuellen Betreuung. Und die Komplexität der Fälle steigt ständig. Eine echte Herausforderung, auch für das mehrsprachig-aufgestellte Kompetenzteam.
„Es ist ein echtes Problem: Die Beratungsnachfrage, sowohl quantitativ als auch qualitativ ist stetig gestiegen in den letzten Jahren, aber das Beratungsangebot ist gleichgeblieben“, so Katja Glybowskaja, Geschäftsbereichsleiterin „Familie und Bildung“ beim AWO Kreisverband Jena-Weimar. „Dabei sind wir in Jena schon richtig gut aufgestellt. Wir sind gut mit Behörden und anderen Entscheidungsträgern vernetzt und nehmen auch den starken Willen unserer Mitarbeiter wahr, für jeden Ratsuchenden eine passgenaue Lösung zu finden.“
Als Migrationsberater muss man sein Gegenüber allerdings nicht nur verstehen können, sondern auch den deutschen Behördendschungel durchblicken. Um eine gute Qualität der Beratungsleistungen zur garantieren, müssen lokale Anlaufstellen vor allem auch finanziell gut ausgestattet sein.
Knapp 45 Mio. € sind aktuell im Fördertopf für die Migrationsberatung in Deutschland. Die Freie Wohlfahrtspflege fordert, die Finanzmittel allein im Jahr 2017 um 17 Mio. € aufzustocken. Nur so könne man sowohl personell als auch qualitativ leistungsfähig bleiben. Auch Maik Werner, Regionalkoordinator des Bundesamtes für Migration und Integration, sieht einen akuten Handlungsbedarf. „Es gibt aktuell eine Unterversorgung in einigen Bundesländern, z.B. sind mehr als die Hälfte der Thüringer Landkreise nicht bedarfsdeckend aufgestellt. Ein entsprechender Appell muss umgehend an die zuständigen Haushalte im Bundestag gehen“, so Werner. In Bezug auf den Aktionstag in der Jenaer Beratungsstelle fügt er an: „Solche Vor-Ort-Termine wie heute sind immens wichtig. Wir verschaffen uns einen Überblick über Ihre Arbeit und haben damit auch gleich eine gute Argumentationshilfe, wenn wir damit dann nach Nürnberg gehen.“
Der Fachdienst für Migration und Integration in Jena mit seinen Bereichen Erwachsenen- und Jugendberatung ist momentan der einzige städtische Beratungsdienst. Das tatsächliche Einzugsgebiet der Beratungssuchenden ist jedoch mit den Stadtgrenzen noch gar nicht erfasst.